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Grüne Immobilien werden künftig zum Standard

Gregor Strocka, Head Capital Markets Switzerland bei JLL, im Interview mit Marc Bürgi von der «Handelszeitung».

Oktober 06, 2023

Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Am 06.10.2023 durfte Gregor Strocka Rede und Antwort stehen. Er ist Head Capital Markets Switzerland bei JLL.

Die Preise von Renditeimmobilien sind gesunken – wie tief werden sie fallen?

Selbst wenn seitens der Schweizer Nationalbank keine weiteren Zinsschritte mehr erfolgen sollten, weisen aktuelle Kennzahlen im Schweizer Immobilienmarkt darauf hin, dass die Preiskorrekturen wohl noch nicht vollends abgeschlossen sind. 

So sind in vielen Immobiliensegmenten die Renditeabstände zur risikofreien Anlage, beispielsweise einer zehnjährigen Bundesobligation, noch unter dem langfristigen Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre. Auch die Renditeabstände zu aktuellen Refinanzierungsraten sind im historischen Vergleich ebenfalls oft noch zu tief oder teilweise sogar negativ.

Weitere Preiskorrekturen um ein paar Prozentpunkte sind deshalb nicht unwahrscheinlich.

Wie lässt sich der typische Käufer, die typische Käuferin beschreiben – hat sich das Profil im Vergleich zu den Zeiten der Tiefzinsen geändert?

Die aktiven Käufergruppen haben sich seit der Zinswende stark geändert. Während der professionelle Immobilientransaktionsmarkt in den vergangenen Jahren von Versicherungen und Fonds dominiert wurde, sind diese Marktteilnehmer auf der Käuferseite fast vollständig verschwunden und haben zum grossen Teil sogar auf die Verkäuferseite gewechselt.

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Der Markt ist aber dennoch liquide geblieben, da andere Marktteilnehmer wie beispielsweise Family Offices, Anlagestiftungen, Pensionskassen, Genossenschaften und private Stiftungen noch weiter aktiv sind und nun zum Teil verstärkt einkaufen.

Zu beachten ist auch, dass diverse Immobilienanlagevehikel im Schweizer Markt einen konstanten jährlichen Neuanlagebedarf von mehreren hundert Millionen Franken haben, was zu einer soliden Grundliquidität führt.

Immer mehr Unternehmen verzichten auf Bürofläche, weil Angestellte einen Teil der Zeit im Homeoffice arbeiten. Wie stark wirkt sich dies auf die Nachfrage und die Kaufpreise von Büroimmobilien aus?

Das Segment der Büroliegenschaften leidet im Vergleich zum Ausland deutlich weniger stark. Während an internationalen Bürostandorten wie beispielsweise Paris la Défence oder London Canary Wharf mittlerweile Rekordleerstände von über 15 Prozent gemessen werden, ist die Büroleerstandsquote in der Stadt Zürich mit 2,9 Prozent unverändert tief. 

Woran liegt das?

Eine Gemeinsamkeit der Städte mit explodierenden Leerstandsquoten sind oft die hohen Grenzkosten des beruflichen Pendelns. Lange Arbeitswege aufgrund der reinen Grösse der Stadt, unattraktive öffentliche Verkehrsmittel oder sogar eine reduzierte öffentliche Sicherheit erhöhen die Opportunitätskosten, wodurch viele Arbeitnehmer das effiziente und bequeme Homeoffice vorziehen.

In der Schweiz sind die Grenzkosten des Pendelns aufgrund meist kurzer Arbeitswege sowie dank des effizienten Verkehrssystems weitgehend tief. Der grösste Teil der Arbeitnehmer hat einen Arbeitsweg mit einer Pendelzeit von unter 30 Minuten, wodurch die Vorteile der räumlichen Trennung von Arbeits- und Privatleben überwiegen.

Wird somit weiterhin in Büroliegenschaften investiert?

Die Investorennachfrage nach Schweizer Büroliegenschaften an gut erschlossenen Lagen ist nach wie vor intakt. Nur vereinzelte international agierende Investoren sind durch ihre negativen Erfahrungen im Ausland auch in der Schweiz risikoscheu geworden.

Leer stehende Büros werden in gewissen Fällen zu Wohnungen umgebaut. Welche Eigenschaften müssen Objekte erfüllen, damit sie für solche Umwandlungen infrage kommen?

Zunächst müssen die baurechtlichen Rahmenbedingungen eine Wohnnutzung erlauben. Sind diese Basiskriterien erfüllt, eignen sich besonders Standorte mit erhöhten strukturellen Büroleerständen, aber einer guten Mietwohnungsnachfrage.

Natürlich muss auch die Gebäudesubstanz geeignet sein, da eine Nutzungsänderung mit erheblichen baulichen Eingriffen in Bezug auf Grundrisse und Haustechnik verbunden ist. Ökonomisch muss ein Erhalt der Liegenschaftssubstanz und Umbau zu einer Wohnliegenschaft Investitionskostenvorteile gegenüber einem Ersatzneubau bieten.

Auch sollte der erwartete Wertzuwachs der Liegenschaft durch höhere und stabilere zukünftige Mieterträge aus Wohnnutzung die nicht unerheblichen Umwandlungskosten überkompensieren können.

Werden also viele Büros zu Wohnungen umgebaut?

Aktuell sind im Schweizer Immobilienmarkt nur vereinzelte Umwandlungsprojekte zu beobachten, was sicherlich auch mit dem intakten Büroflächenmarkt zusammenhängt. Umwandlungen von Büros in Wohnungen sind kein Patentrezept gegen die aktuelle Wohnungsknappheit.

Welche interessanten Nischen im Immobilienmarkt sehen Sie derzeit?

Interessante Nischen im Schweizer Immobilienmarkt sind grundsätzlich alle Liegenschaftsarten, die von den grossen dominanten Investoren kaum nachgefragt werden und somit einem tieferen Preiswettbewerb ausgesetzt sind. Hierzu zählen beispielsweise nicht ESG-konforme Wohnliegenschaften mit Einzelinvestitionsvolumen unter 15 Millionen Franken, die viele grosse institutionelle Investoren nur mit sehr hohen internen und externen Kosten repositionieren könnten und deshalb oft lieber abstossen.

Kleinere Investorinnen und Investoren mit agileren Sanierungsansätzen können die Vorteile von effizienteren Planungs- und Ausschreibungsverfahren nutzen und mit zum Teil deutlichen Kosten- und Geschwindigkeitsvorteilen die Liegenschaften repositionieren. Bei einem späteren Wiederverkauf lassen sich oft interessante Margen beobachten.

Der CO2-Ausstoss von Immobilien muss sinken – wird dieser grüne Umbau des Gebäudeparks die Preise nach oben treiben?

Es zeichnet sich die klare Tendenz ab, dass grüne Immobilien künftig zum Standard und nicht nachhaltige Gebäude langfristig nicht mehr liquide sein werden oder nur mit hohen Preisabschlägen gehandelt werden können.

Aktuell sind bei Liegenschaften, die über anerkannte Nachhaltigkeitszertifikate verfügen, noch Preisprämien von bis zu 10 Prozent zu beobachten.

Wieso sind Investorinnen und Investoren bereit, für nachweislich «grüne» Immobilien einen Aufschlag zu bezahlen?

Gründe für die aktuell noch hohen Preisbereitschaften sind oft Investorinnen und Investoren, die weit hinter ihren internen Nachhaltigkeitszielen liegen und durch gezielte «grüne» Akquisitionen ihre Portfoliokennzahlen verbessern wollen. Auch effektive Kostenersparnisse auf der Finanzierungsseite durch grüne Hypotheken und «Green Bonds» mit Refinanzierungskostenvorteilen von bis zu 50 Basispunkten begründen die Preisprämien.

Liegenschaften, bei denen Sanierungen zum Zweck einer höheren Nachhaltigkeit nicht oder nur sehr teuer möglich sind, erfahren bereits heute eine messbare, über 50 Prozent reduzierte Nachfrage. Die nötigen Kosten zur nachhaltigen Repositionierung werden bei der Kaufpreisbildung voll abgezogen.

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