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Viele Firmen scheuen sich, ihre Büros zu verkleinern

Anita Bleiker, Head Landlord und Tenant Representation für die deutschsprachige Schweiz bei JLL, im Interview mit Marc Bürgi von der «Handelszeitung».

August 25, 2023

Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Am 25.08.2023 durfte Anita Bleiker Rede und Antwort stehen. Sie ist Head Landlord und Tenant Representation für die deutschsprachige Schweiz bei JLL. 
 

Unternehmen sparen wegen Homeoffice Bürofläche ein. Wie stark sinkt die Nachfrage, weil immer mehr Angestellte einen Teil der Arbeitswoche zu Hause verbringen?

Vor allem bei internationalen Unternehmen hinterfragen mehrere Instanzen den Büroflächenbedarf, was Vertragsabschlüsse verzögert. Allerdings scheuen sich auch viele Firmen, ihre Büros zu verkleinern, weil sie befürchten, dass Mitarbeitende dadurch auch an den beliebten Büroarbeitstagen Dienstag bis Donnerstag vermehrt von Zuhause aus arbeiten würden.

Die Unternehmen stecken also in einem Dilemma?

Viele Unternehmen sind unschlüssig, wie sie die Herausforderung lösen wollen. Es stellt sich folgende Crux: Einerseits möchten sie aufgrund der geringeren Büroauslastung Flächen reduzieren und Kosten sparen. Andererseits wünschen sie sich, dass die Mitarbeitenden wieder regelmässiger ins Büro kommen. Die erwartete wirtschaftliche Abkühlung hat aktuell aber ebenso einen Einfluss auf die geringere Flächennachfrage.
 

Sind Grossraumbüros bei grossen Schweizer Unternehmen mittlerweile zum Standard geworden – oder gibt es bekannte Namen aus der Schweizer Konzernwelt, die auch normalen Mitarbeitenden bewusst kleinere Büroräume zur Verfügung stellen?

Wir stellen beides fest, die Bedürfnisse und Arbeitsplatzkonzepte sind sehr heterogen. Während Technologie- und Pharmaunternehmen bereits lange vor der Pandemie auf Grossraumbüros mit «Shared Desks» umgestellt hatten, halten beispielsweise Anwaltskanzleien nach wie vor – zumindest für einen Teil der Belegschaft – an Einzelbüros fest. 

Auch viele kleinere, meist inhabergeführte, Unternehmen stellen der Geschäftsleitung ein Einzelbüro zur Verfügung. Vor kurzem liess ein Kunde von uns mehr voneinander getrennte Arbeitsplätze einbauen, weil der Lärmpegel aufgrund veränderter Arbeitsgewohnheiten mit vielen Calls zu hoch wurde.

Welche drei Eigenschaften zeichnen attraktive Büroräumlichkeiten aus?

Das sind erstens die zentrale Lage respektive gute Erreichbarkeit, zweitens moderne, technologisch hochwertig und flexibel nutzbare Räumlichkeiten (verschiedene Arbeitsbereiche, Café, Rückzugsräume) sowie drittens öffentliche Infrastruktur für Verpflegung, zum Einkaufen und Erholen/Fitness in Gehdistanz. 

Deutlich an Bedeutung gewonnen hat zudem der Faktor Nachhaltigkeit. Insbesondere international ausgerichteten Unternehmen ist es wichtig, bei einem Umzug gleichzeitig auch ihren CO2-Abdruck zu reduzieren. Dies ist allerdings nicht überall möglich, da meistens die Stadtzentren über ältere Gebäude verfügen, welche keine Zertifizierungen mit sich bringen.

Freie Wohnungen sind besonders in den Städten knapp. Wie einfach lassen sich leer stehende Büros in Wohnungen verwandeln?

Auf den ersten Blick scheint das eine win-win Situation zu sein. In der Realität zeigen sich verschiedene Herausforderungen.

Die wären?

Erstens baurechtliche Einschränkungen wie Zonenkonformität sowie beispielsweise Anforderungen an Lärm-/Schall- und Brandschutz.

Zweitens die Gebäudesubstanz: Die Transformation zur Wohnnutzung erfordert oft eine Neuprogrammierung der Versorgungseinrichtungen (Heizung, Lüftung, Klimatechnik, Sanitäranlagen), weil diese auf die einzelnen Wohnungen verteilt werden müssen. Zudem haben der natürliche Lichteinfall und Sichtbehinderungen bei Wohnhäusern eine grössere Bedeutung als bei Bürogebäuden.

Drittens sollte gewährleistet sein, dass grössere zusammenhängende Flächen leer stehen oder das gesamte Gebäude, und nicht nur einzelne, verteilte Einheiten. Und letztlich ist ein solches Vorhaben mit beachtlichen Ausgaben verbunden, welche einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung gerecht werden müssen.

Büros umzuwandeln ist also kein Instrument gegen die Wohnungsnot?

Es gibt diverse Beispiele, wo solche Konversionen erfolgreich umgesetzt wurden. Um die Wohnungsknappheit spürbar zu verbessern, sind jedoch umfassendere Ansätze notwendig.

Die Bahnhofstrasse in Zürich gilt als begehrteste Schweizer Einkaufsstrasse. Wie heissen die Toplagen für Büros in der Schweiz?

Bei Büroflächen wird die Standortwahl etwas grossflächiger angeschaut und ist branchenabhängig. Während Basel für die Pharmabranche als Topstandort gilt, sind in Genf insbesondere NGOs, Firmen aus dem Rohstoffhandel und Privatbanken ansässig.

Zug ist für seine steuerlichen Vorteile bekannt und zieht dadurch viele internationale Firmen aus der Finanz- und Pharmabranche an, während Lausanne von Unternehmen, die die Nähe zur EPFL schätzen, bevorzugt wird. In Zürich sind die meisten Technologieunternehmen und Betriebe aus der Finanzindustrie heimisch.

Und innerhalb der Städte?

Innerhalb der Städte sind für Unternehmen weniger einzelne Strassen sondern eher die Erreichbarkeit oder das Mietzinsniveau ausschlaggebend. Die stärkste Nachfrage spüren wir Regionen übergreifend an den Innenstadtlagen, oder dann in angrenzenden neu entstandenen Business Districts.

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